Es gibt
eine
kreisförmige Wechselbeziehung
zwischen
Machen und Erkennen.
Wenn man nicht
macht, was man als notwendig,
wenn auch
mit
persönlichen Unannehmlichkeiten behaftet,
erkannt hat,
dann kann man
irgendwann auch nicht mehr erkennen, was zu
machen ist.
Wer
Anpassungszwängen taktisch nachgibt,
wohl wissend,
daß er
ihnen
mit
vertretbarem Risiko widerstehen könnte
und auch sollte,
wird nach und
nach
die
Unzumutbarkeit von Anpassungsforderungen
gar nicht mehr
wahrnehmen,
das heißt
die eigene Gefügigkeit
auch nicht mehr
als Fluchtreaktion durchschauen.
Alles erscheint
normal:
die
Verhältnisse, denen er sich ergibt,
und der
Verzicht auf Gegenwehr,
den er eben gar
nicht mehr
als Verzicht erlebt.
Viele Ostdeutsche fühlen sich in dem wiedervereinigten Land, das ihnen die erhofften Lebensverhältnisse verwehrt, nicht zuhause. Die Folge davon sind Thälmannstraßen, Jugendweihen und PDS-Stimmen, eine nostalgische Heimat eben. 15 Jahre danach ist der Tag der deutschen Einheit eher ein melancholisches Datum, auch weil sich in ihm eine alte Volksweisheit spiegelt: Fehler bei der Geburt kann man nicht ungeschehen machen.
DeutschlandRadio
Kultur, Signale · 02.10.2005
*
Für politisch denkende Bürger war dieser Wahlkampf eine Zumutung. Zum Glück für die Parteien gibt es nicht allzu viele solcher Bürger. Man kennt hier nicht, was in Frankreich viele gute Republikaner tun: Sie gehen zu den Urnen, um weiße oder ungültig gemachte Stimmzettel einzuwerfen - zum Zeichen, dass sie angesichts eines miesen politischen Angebots zur Wahlverweigerung gezwungen sind.