Guten Tag,

Wir schreiben das Jahr 15 nach der Wende.
Nichts ist einfacher geworden, die Narben verhärtet.
Wer weicht sie auf?


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Es gibt

eine kreisförmige Wechselbeziehung

zwi­schen Machen und Erkennen.

 

Wenn man nicht macht, was man als notwendig,

wenn auch

mit per­sönlichen Unannehmlichkeiten behaftet,

erkannt hat,

dann kann man irgendwann auch nicht mehr erkennen, was zu machen ist.

 

Wer Anpassungs­zwängen taktisch nachgibt,

wohl wissend,

daß er ihnen

mit vertretbarem Risiko widerstehen könnte

und auch sollte,

wird nach und nach

die Unzumut­barkeit von Anpassungsforderungen

gar nicht mehr wahrnehmen,

das heißt die eigene Gefügigkeit

auch nicht mehr als Fluchtreaktion durchschauen.

 

Alles erscheint normal:

die Verhältnisse, denen er sich ergibt,

und der Verzicht auf Gegenwehr,

den er eben gar nicht mehr

als Verzicht erlebt.


Quelle: H.E. Richter - Bedenken gegen Anpassung, 1995



Hier sammele ich Denkanstöße, die ein Verstehen erleichtern können.

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Thälmannstraßen, Jugendweihen und PDS-Stimmen

Anmerkungen zur deutschen Einheit

Viele Ostdeutsche fühlen sich in dem wiedervereinigten Land, das ihnen die erhofften Lebensverhältnisse verwehrt, nicht zuhause. Die Folge davon sind Thälmannstraßen, Jugendweihen und PDS-Stimmen, eine nostalgische Heimat eben. 15 Jahre danach ist der Tag der deutschen Einheit eher ein melancholisches Datum, auch weil sich in ihm eine alte Volksweisheit spiegelt: Fehler bei der Geburt kann man nicht ungeschehen machen.

DeutschlandRadio Kultur, Signale · 02.10.2005


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Mit Hängen und Würgen: Politik und Wähler

Für politisch denkende Bürger war dieser Wahlkampf eine Zumutung. Zum Glück für die Parteien gibt es nicht allzu viele solcher Bürger. Man kennt hier nicht, was in Frankreich viele gute Republikaner tun: Sie gehen zu den Urnen, um weiße oder ungültig gemachte Stimmzettel einzuwerfen - zum Zeichen, dass sie angesichts eines miesen politischen Angebots zur Wahlverweigerung gezwungen sind.

DeutschlandRadio Kultur, Signale · 09.10.2005