Autorisierte Fassung des:

Landesbüro
anerkannter Naturschutzverbände
Lindenstraße 34
14467 Potsdam


Landesumweltamt Brandenburg
Frau Brigitte Post
...

Stellungnahme der o. g. Naturschutzverbände
zum Genehmigungsverfahren für die Kläranlage Fürstenwalde sowie die wasserrechtliche Erlaubnis zur Einleitung des vorgereinigten Abwassers aus der Kläranlage Fürstenwalde in das Grundwasser bzw. in das FFH-Gebiet Müggelspree

Ihr Geschäftszeichen : RS1- = WB-pt-810/05

Sehr geehrte Frau Post,

die anerkannten Naturschutzverbände des Landes Brandenburg bedanken sich für die Beteiligung am o. g. Verfahren und möchten die aus den vorliegenden Unterlagen bereits erkennbaren Problemfelder noch einmal wie folgt zusammenfassen:

In der UVS wird der weitere Betrieb der Kläranlage Fürstenwalde ausschließlich von den beiden Möglichkeiten abhängig gemacht, entweder die vorgereinigten Abwasserfrachten von 60.000 Einwohnerwerten weiterhin wie bisher in das Grundwasser einzuleiten oder per neu zu errichtender Überleitung direkt in das FFH-Gebiet Müggelspree, wobei im letzteren Falle aufgrund des besonders im Sommerhalbjahr relativ häufig auftretenden Niedrigwassers mit einer relativ schnell eintretenden Verschlechterung des Zustandes dieses sehr wertvollen, als FFH-Gebiet eingestuften Gewässerabschnitts zu rechnen ist.

Die anerkannten Naturschutzverbände Brandenburgs lehnen eine solche einseitige Betrachtungsweise, die keine weiteren Handlungsoptionen offen läßt, entschieden ab. Zwar teilen sie voll und ganz die Besorgnis der Autoren um die zukünftige Qualität der Müggelspree und halten deshalb unter den derzeit gegebenen Bedingungen eine Direkteinleitung des Abwassers in die Müggelspree für äußerst problematisch. Andererseits erscheint es fraglich, ob die weitere Zuleitung der Abwassermengen über den Boden in das Grundwasser auf Dauer nicht ähnlich schädliche Auswirkungen auf das geschützte Flussgebiet haben wird, ganz abgesehen von der offensichtlichen und deshalb auch nicht erlaubnisfähigen Rechtswidrigkeit dieser Art von Abwasserentsorgung!
Die Kläranlage Fürstenwalde wurde mit Hilfe von Fördermitteln der Europäischen Union im Jahre 1995 auf dem Gelände der alten Rieselfelder errichtet.
Dem Zweckverband Wasserversorgung und Abwasserentsorgung Fürstenwalde und Umland als Nachfolgeeinrichtung des zuvor hier tätigen Wasser- und Abwasserbetriebes Fürstenwalde war zu diesem Zeitpunkt allerdings bereits bekannt, dass die Rieselfelder als Folge der fast hundertjährigen Verrieselung von ungeklärten Abwässern kommunalen, gewerblichen und industriellen Ursprungs in den oberen Bodenhorizonten stark mit Schadstoffen belastet sind und somit der Standort dringend der Sanierung bedurfte.

Die einst weit verbreitete Ansicht, das Grundwasser sei wegen der Filterwirkung des Untergrundes sowie der in der Regel über dem Grundwasser liegenden Deckschichten die geschützteste Wasserressource, hat sich schon längst als Irrglaube erwiesen. Grundwasserschäden sind in der Regel Langzeitschäden. Die Sanierung von Grundwasserschäden ist in der Regel nur in sehr langen Zeiträumen und mit sehr hohen finanziellen Mitteln möglich.

Die bis zum Jahre 2007 in deutsches Recht umzusetzende EU-Richtlinie 2004/35/EG über die Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden sieht vor, künftig auch gegenüber betrieblichen Verursachern von Eingriffen in den Grundwasserhaushalt, die geeignet sind, dauerhaft bzw. in einem nicht unerheblichen Ausmaß schädliche Veränderungen der physikalischen, chemischen oder biologischen Beschaffenheit des Grundwassers herbeizuführen, Haftungsansprüche durchzusetzen.

Gemäß Anhang III der EU-Richtlinie 2004/35/EG zählen zu diesen haftungsrelevanten Tätigkeiten auch sämtliche Ableitungen von Stoffen in das Grundwasser, die gemäß der Richtlinie 80/68/EWG des Rates vom 17. Dezember 1979 über den Schutz des Grundwassers gegen die Verschmutzung durch bestimmte gefährliche Stoffe (ABl. L 20 vom 26.1.1980 S. 43, geändert durch die Richtlinie 91/692/EWG, ABl. L 377 vom 31.12.1991, S. 48) einer vorherigen Genehmigung, Zulassung oder Registrierung bedürfen.

Zum Erhalt der Ressource Grundwasser gilt die Forderung, biologisch abbaubare Belastungen zu begrenzen, während die Zufuhr von xenobiotische Stoffe im Sinne einer Nulloption zu minimieren ist. Im Vordergrund aller Überlegungen muss stets die Verhinderung von irreparablen ökologischen Schäden des natürlichen Systems Boden, Grundwasserleiter und Grundwasser stehen. Die Sanierung bereits verunreinigten Grundwassers hat vor allem unter der Berücksichtigung von Art und Umfang der Verunreinigung und des gegebenen Gefährdungspotentials zu erfolgen.

Zur genaueren Ermittlung des aktuellen Grundwasserzustandes müssen flächendeckende Untersuchungen einzelner Leitparameter der flüssigen Phase sowie der physikalisch-chemisch-biologischen Wechselbeziehung zwischen Boden und Grundwasser durchgeführt werden. Erst aus diesen Untersuchungen können dann die erforderlichen Sanierungsmaßnahmen abgeleitet werden.

Aus den vorliegenden Unterlagen zur UVS ist leider nicht erkennbar, inwieweit bisher solche Untersuchungen erfolgt sind und welche zielgerichteten Sanierungsmaßnahmen auf dementsprechend konkretes Datenmaterial aufbauen können. Die Absicht, nach einem sogenannten "Bucher Verfahren" Mergelboden auf die hochgradig belasteten Rieselfeldböden aufzubringen und einzugrubbern, um so die Versickerung zu verlangsamen, als Sanierungsmaßnahme für das bis zu einer Tiefe von mindestens 28 Meter unter der Erdoberfläche verunreinigte Grundwasser vorzuschlagen, entspricht nicht dem anerkannten Stand von Wissenschaft und Technik. Das trifft auch für die immer wieder geäußerte Auffassung zu, dass sich die bereits vorhandenen Grundwasserverunreinigungen durch die Zugabe von weiteren Abwassermengen einfach "wegspülen" bzw. "verdünnen" lassen...

Diese u. E. starke Simplifizierung des vorhandenen Problems zieht sich durch die gesamte UVS durch und zeigt sich u.a. auch auf der Seite Acht der "Allgemeinverständlichen Zusammenfassung" zur UVS, wo (nur) der CSB- Gehalt im Mischwasser, das von Zeit zu Zeit in die Spree abfließt, auf die Jahresfracht insgesamt anstatt auf das jeweilige Ereignis bezogen benannt wird. Auch wurde so getan, als ob sich der Abwasserabfluss vom Klärwerk aus nur auf die Spree konzentriert und darüber hinaus keine zur Spree parallel verlaufenden Grundwasserströme auftreten könnten.

Wie in der o. g. UVS beschrieben wird, liegt der Standort der Rieselfelder und somit auch der Kläranlage Fürstenwalde innerhalb des Warschau-Berliner Urstromtals. Im zentralen Bereich der Rieselfelder bilden miozäne Braunkohlenschluffe des Tertiärs den ersten flächenhaft ausgebildeten Grundwasserstauer. Somit sind die Grundwasserleiter weitgehend ungeschützt, da hier nur oberflächennahe Fein- und Mittelsande vorherrschen, aber so gut wie keine Geschiebemergel vorhanden sind, was zu einer hydraulisch wirksamen Kommunikation zwischen den tertiären und quartiären Grundwasserleitern führt. Die Rieselfeldböden enthalten eine geringmächtige, durch Zink, Cadmium, Kupfer, Nickel, Blei und PAK schadstoffbelastete Deckschicht, die darüber hinaus deutlich erhöhte Phosphor- und Stickstoffwerte aufweist.
Seit dem Jahre 1995 wird das vorgereinigte Abwasser nicht mehr auf die ursprünglich 30 ha umfassende Rieselfeldfläche, sondern nur noch auf einem kleinen Teilgebiet davon verbracht. Dabei konnte beobachtet werden, dass sich erst nach längerer Zeit erhöhter Wasserzugabe eine geschlossene Wasserfläche ausbildet, hingegen Rieseltafeln, die nur eine geringe Wassermenge erhalten, vernässen aufgrund der hohen Durchlässigkeit der Sande nur in einem engen Radius um die Einleitstelle...

Sickeranalysen belegten eine hohe Gefährdung für das Grundwasser. Die Autoren vermuten jedoch, dass die in das Grundwasser eingetragenen Schadstoffgehalte "durch die Durchmischung mit dem weniger belasteten Grundwasser in ihrer Konzentration reduziert" werden. Die Abwasserversickerung dominiert sowohl hydraulisch als auch qualitativ das Grundwasser im Rieselfeldgebiet bis zur südlich vorbeifließenden Spree. Das Gebiet weist eine gute bis sehr gute Durchlässigkeit bis zum tertiären Stauer in ca. 28 m Tiefe auf. Es wird von einer guten hydraulischen Verbindung ab dem oberen unbedeckten Grundwasserkomplex bis zur Quartiär-Tertiär-Grenzfläche ausgegangen.

Die geringen Kationenaustauschkapazität und damit Filterwirkung des Sandbodens bewirken zudem, dass die im behandelten Abwasser verbliebenen Schadstoffe (AOX) weitgehend vollständig in das Grundwasser gelangen. Den Autoren ist bekannt, dass die Verwaltungsvorschrift des MLUR vom 29. 1. 2001 eine Versickerung von gereinigtem Abwasser in den genannten Mengen und mit den gemessenen Inhaltsstoffen (z.B. AOX), wie sie noch immer auf einem Teil der Rieselfelder durchgeführt wird, untersagt. Da die unter dem Summenparameter AOX zusammengefassten verschiedenen Halogenverbindungen ein sehr unterschiedliches Gefährdungspotential aufweisen und darüber hinaus auch solche problematischen Chemikalien wie Dioxine, und PCBs zu den organischen Chlorverbindungen gehören, ist die Ableitung von AOX-haltigem Abwasser in das Grundwasser bereits vom Grundsatz her streng untersagt. Doch "um die Müggelspree nicht über das derzeitige Maß zu belasten, beabsichtigt der Verband die weitere Versickerung des behandelten Abwassers auf den Rieselfeldern", so nachzulesen in der o. g. UVS.

Untersuchungen zum Grundwasser ab dem Jahre 1992 zeigten an fast allen Grundwassermessstellen hohe Nährstoffgehalte, hohe sauerstoffzehrende organische Belastung und eine abwassertypische Salzfracht. Ausgewählte Grundwasserproben, die 1999 und 2000 gezogen wurden, zeigten im näheren und weiteren Abstrom der Rieselfelder die typischen Abwassermerkmale der hohen Nährstoffgehalte (Stickstoff, Phosphor), der erhöhten organischen Sauerstoffzehrung und vereinzelt stark erhöhte Schwermetallgehalte.

Die Versickerung von derzeit ca. 5400 m³/d Abwasser erhöht domartig die Grundwasserstände um bis zu 0,7 m. Dadurch vergrößert sich gegenüber dem natürlichen Grundwasserabstrom der hier mit Abwasser belastete Grundwasserabstrom in Richtung Spree auf ca. 1,3 km Breite. Nach Ansicht der Autoren der UVS wird durch die Versickerung der im Tagesverlauf (bis 143 l/s) und witterungsbedingt (Regenwasser bis 350 l/s) stark schwankende Ablauf der Kläranlage Fürstenwalde von 2.107.690 m³/a im Jahr 2002 im oberen unbedeckten Grundwasserleiter zur Spree ganzjährig auf ca. 67 l/s "vergleichmäßigt". Auch die erheblichen Schwankungen in der sauerstoffzehrenden organischen Stofffracht und in der Nährstofffracht erreiche das empfindliche Oberflächengewässer Müggelspree "stark vergleichmäßigt..."

Die Tatsache, dass derzeit das gesamte Abwasser der Kläranlage auf dem Rieselfeld versickert wird und bis zum Erreichen der Müggelspree eine vermutlich mehrjährige Untergrundpassage erfährt, wird in der vorliegenden UVS als ein besonderer Vorteil gegenüber der Direkteinleitung in die Spree hervorgehoben, da alle "Veränderungen des Kläranlagenablaufs in Qualität und Quantität (sich) erst in mehreren Jahren verzögert" im FFH-Gebiet Müggelspree auswirkten... Sogar größere Abflussschwankungen im Ablauf der Kläranlage würden "über die Bodenpassage auf einen konstanten mittleren Abfluss vergleichmäßigt" werden...

Eine Direkteinleitung in die Müggelspree würde dagegen besonders in der Niedrigwassersituation des Sommers zu einer kritischen Konzentration einzelner Schadstoffe bzw. zu einem kritischen Absinken des Sauerstoffgehaltes führen. Dies gelte insbesondere im Falle des Zusammentreffens von Niedrigwasserabfluss der Müggelspree und einem Abschlagereignis in der Mischkanalisation der Stadt Fürstenwalde in Folge eines Starkregenereignisses während der sommerlichen Trockenperiode. Im Falle einer Betriebsstörung der Kläranlage wird sich die dann deutlich verschlechterte Ablaufqualität ungehindert auf die Müggelspree auswirken, da die vergleichmäßigende Wirkung der Rieselfelder und der Bodenpassage wegfallen...

Auch wird erhofft, dass die Zufuhr von Abwasser in das Grundwasser zu "einer deutlichen Verbesserung des durch die Schwarzwasserverrieselung belasteten Grundwasserkörpers" führen könnte... Probleme mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Boden- bzw. Grundwasserschutz sind für die Autoren der UVS nicht erkennbar, sie gehen vielmehr von "isolierten Auswirkungen der allein auf die Müggelspree ausgerichteten Versickerung behandelten Abwassers" aus... Eine "besondere Situation vor Ort" lässt sie auch "keinen Besorgnisgrundsatz erkennen..." Die Autoren der UVS verstehen unter dem Begriff Besorgnisgrundsatz eben nicht die Einhaltung des Prinzips der Vorsorge und Vermeidung von Grundwasserverunreinigungen, sondern nur schlichtweg deren Messungen: "Um die Schadlosigkeit des weiteren Betriebes der Rieselfelder zu belegen ist geplant, das Grundwasser unter den Rieselfeldtafeln in deren Anstrom und Abstrom zur Müggelspree regelmäßig zu untersuchen, um den Besorgnisgrundsatz zur Ausbreitung des Eindringens von Schadstoffen in das Gewässer zu begegnen..." Allerdings beklagen sich die Autoren, dass die Grundwasserverordnung der Bundesrepublik Deutschlands "weder Grenz- oder Richtwerte noch Analyseverfahren (für die Einleitung von gefährlichen Stoffen in das Grundwasser) kennt..."

Warum die Autoren jetzt noch mit Messungen des Grundwassers im An- und Abstrom zur Müggelspree die angebliche Schadlosigkeit der weiteren Abwasserentsorgung in das Grundwasser belegen wollen, erstaunt schon sehr, wenn sie an einer anderen Stelle ihrer UVS bereits feststellten: Die Verrieselung bewirkt eine Verlagerung der Schadstoffe in die tieferen Bodenschichten. Hinzu kommen neue Nähr- und Schadstoffe aus dem vorgereinigtem Abwasser. Dies ist als fortdauernde, erhebliche Verschlechterung zu werten. Ebenso trifft das für das Grundwasser zu. Spree und Müggelspree werden derzeit von einem 1,3 km breiten Zustrom von Grundwasser belastet, das mit abwassertypischen Stoffen und durch Schadstoffe belastet ist.

Die als FFH-Gebiet nach Brüssel gemeldete Müggelspree (Gebietskennziffer 3649-303, Landeskennziffer 559) besitzt auch für die Trinkwassergewinnung der Stadt Berlin eine nicht unerhebliche Bedeutung. In diesem Gewässer konnte eine bereits bestehende Belastung durch überhöhten gesamten organischen Kohlenstoffgehalt, einen geringen Sauerstoffgehalt und erhöhte Nährstoffgehalte festgestellt werden. Während zwei aktueller Trockenwetterbeprobungen, die im Sommer 2003 vorgenommen worden sind, zeigten die Messstellen unterhalb von Fürstenwalde einen deutlichen Anstieg von Pges., wogegen die organische Belastung BSB5 und BSB an der Abwassereintrittsstelle "Große Tränke" deutlich zunimmt. Es wird eingeschätzt, dass 80 Prozent des jüngst versickerten Abwassers über tiefliegende Grundwasserleiter (P3 und P5) sowie 20 Prozent älter versickertes Abwasser (P13, P15) über den oberen Grundwasserleiter zur Müggelspree abfließt. Bei Niedrigwasser konnte deshalb eine deutliche Zunahme von Phosphor und Stickstoff sowie einer sauerstoffzehrenden organischen Belastung in der Müggelspree beobachtet werden.

Weiterhin wird in der UVS geschildert, wie gut sich ein geschützter Flussabschnitt für die Nachklärung von belasteten Abwasser eignet. Es wird eingeschätzt, dass die Müggelspree durch die derzeitige Kläranlagenableitung über Versickerung auf den Rieselfeldern bereits bis an die Obergrenze für die Gewässergüteklasse II belastet wird. Eine Tabelle über die Ergebnisse einer "Mischrechnung" soll "beweisen", dass die weitere Ableitung des Kläranlagenablaufs ins Grundwasser durch die Verdrängung des älteren Grundwassers aus der Schwarzwasserverrieselung zu einer Verbesserung für die Müggelspree gegenüber dem Ist-Zustand führen könnte...

Aus der hohen versickerten Abwassermenge je Fläche, der bekannten unterschiedlichen Durchlässigkeit des quartiären 1. Grundwasserkomplexes und den Ergebnissen der Grundwasseranalysen wird geschlussfolgert, dass das seit 1995 versickerte Abwasser aufgrund des erhöhten hydraulischen Drucks auf den Versickerungsflächen großteils direkt zu den tieferen kiesigen Schichten absinkt und mit deren höheren Durchlässigkeit innerhalb weniger Jahre die FFH-Gebiet Müggelspree und Spree erreicht. Es wird angenommen, dass über den oberen Grundwasserleiter nur ca. 10-20 Prozent des Abwassers in Richtung Spree fließen, während ca. 80-90 Prozent über den tieferen Grundwasserleiter abfließen... Ältere Untersuchungen aus dem Jahre 1993 ermittelten in dem in das Gewässerbett der Spree austretende Sickerwasser deutlich erhöhte Werte für abwassertypische Stoffe. Damit wird der indirekte Zufluss des versickerten Abwassers über die Bodenpassage in die Müggelspree bestätigt. Im Jahre 2003 zeigten Wasseranalysen die gleiche Belastung wie im Jahre 1993 in dem in die Müggelspree austretenden Sickerwasser... Präzisere Aussagen zur Abflussgeschwindigkeit zwischen Rieselfelder und Spree wären jedoch nur mit Hilfe eines "flächendeckend engeren Messstellenetzes mit tiefreichenden Grundwassermesstellen möglich".

Derzeit werden fünf ehemalige Rieselfeldtafeln östlich des Hauptweges sowie sechs im südlichen Teil genutzt. Eine Tafel (15) dient als "Notüberlauf". In der "Allgemeinen Zusammenfassung" zur UVS heißt es dann zum "Notüberlauf" auf Seite 22: "Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die derzeitige Ableitung zur Versickerung auf die Rieselfelder einen Beitrag zur Milderung bei Havarien bietet, da der durchsickerte Bodenkörper einen Schutz vor dem Durchschlagen der Schadstoffe in das Grundwasser und damit in die Müggelspree bietet. Eine Beibehaltung dieser Ableitung ist zumindest in der Bauphase als Notableitung vorgesehen..." Auch für später soll der "Bodenkörper als Puffer bei Betriebsstörungen" erhalten bleiben.

Die im Jahre 1995 neu errichtet Kläranlage arbeitet nach dem weit verbreiteten Belebtschlammverfahren und umfasst eine Kapazität von 48.000 Einwohnerwerte. Mittlerweile ist es dem Zweckverband Fürstenwalde mit Duldung der verantwortlichen Wasserbehörden gelungen, in der ursprünglich nur auf nur 48.000 Einwohnerwerte ausgerichtete Kläranlage Fürstenwalde die Abwässer von fast 60.000 Einwohnergleichwerte zu entsorgen, was eindeutig zu einer Überlastung der o. g. Anlage führte. Deshalb wird nun nachträglich eine bauliche Ertüchtigung der o. g. Kläranlage auf die Kapazität von 60.000 Einwohnerwerte beantragt, wobei wiederum Fördermittel der Europäischen Union in Höhe von etwa 11 Millionen EURO beantragt worden sind. Mit diesem Geld soll neben einem weiteren Ausbau von Kanalnetzen vor allem ein 3. Nachklärbecken zur bereits vorhandenen Kläranlage sowie ein der Belebungsstufe vorgeschaltetes Anaerobbecken zur Phosphoreliminierung errichtet werden.

Bislang arbeitet der Abwasserzweckverband Fürstenwalde offensichtlich mit einer "Schön-Wetter-Kläranlage". Die Ablaufwerte sollen tolerierbar sein - zumindestens im Sommerhalbjahr und außerhalb von "Regenereignissen..." Ein weiteres Problem wird in der vorliegenden UVS wie folgt beschrieben: "Der Stadtkern von Fürstenwalde verfügt über eine Mischkanalisiation. Dieses Kanalsystem verfügt über sieben Mischwassereinleitstellen in die Spree. Im Regenwetterfall kommt es je nach Kapazität der Teilsysteme und des Pumpwerkes 10 zu Regenüberlaufereignissen, bei denen das Mischwasser direkt in die Spree gelangt. Die Einleitstellen sind reine Systemüberläufe und verfügen über keinerlei Behandlungsvorrichtungen..."

Neben dem kommunalen und gewerblichen Abwasser werden in der Kläranlage Fürstenwalde auch Industrieabwässer entsorgt. Größte Indirekteinleiter sind die Firmen LACUFA (Farben und Lacke) und OCI (Kunststoffrecycling). Die betrieblichen Abwässer der Firma LACUFA enthalten regelmäßig organisch gebundene Halogene (AOX). Außerdem finden sich hier relativ hohe Konzentrationen an Nickel, Kupfer und Cadmium. Die Abwässer der Firma OCI enthalten regelmäßig AOX "bis zu 100fach über den Richtwert der Verwaltungsvorschrift des MLUR". Die übrigen Parameter werden von der UVS nicht betrachtet, "da es sich um Rohabwasser handelt, das eine Reinigung in der Kläranlage erfährt..."

Beantragt wurde vom Vorhabensträger eine Plangenehmigung nach § 18c Wasserhaushaltsgesetz (WHG) bzw. § 7 des brandenburgischen Wassergesetzes (BbgWG) . Weil von dem Vorhaben ein FFH-Gewässer betroffen ist, wurde eine "Umweltverträglichkeitsstudie mit integrierter FFH-Verträglichkeitsprüfung" angefertigt. Jedoch bedürfen gemäß § 129a Abs. 2 Nr. 1 BbgWG die Errichtung bzw. wesentliche Änderung einer Kläranlage der Größenklasse 4, die zugleich auch UVP-pflichtig ist, eines Planfeststellungsverfahrens.

Soweit uns bekannt ist, wurde für den Bau der Kläranlage Fürstenwalde bisher kein entsprechendes Planfeststellungsverfahren mit Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt.

Zusammenfassung:
Jedes Festlegen auf eine nicht mehr veränderbar zu machende Strategie birgt Risiken in sich. Entscheidungen, die im Vorab - quasi ohne das entsprechend gesetzlich vorgeschriebene Prüfverfahren gefällt worden sind, können sich im Nachhinein als falsch herausstellen... Sind diese Entscheidungen irreversibel, so können sie hohe Kosten verursachen. Deshalb sollten Entscheidungen stets so getroffen werden, dass viele Handlungsoptionen offen bleiben... Auch weisen wir nochmals darauf hin, dass es nicht dem geltenden Umweltrecht entspricht, wenn das naturwissenschaftlich nicht bestimmbare Reinigungsvermögen des Bodens sowie die Möglichkeiten der Verdünnung als Element der Reduzierung von technischen und stoffökologischen Anforderungen vorab bei der Planung eines Abwasserbeseitigungskonzeptes in Rechnung gestellt werden.

Die anerkannten Naturschutzverbände vermissen in den bisher vorliegenden Unterlagen eine umfassende Analyse und Dokumentation der durch die unsachgemäße Abwasserentsorgung aufgetretenen Schäden an Boden und Gewässer. Außerdem erwarten sie die unverzügliche Einleitung von Sanierungsmaßnahmen - Maßnahmen zu einer möglichst effektive Schadenbegrenzung sollten hierbei oberste Priorität vor allen anderen Planungen, wie z. B. die Erweiterung der Kläranlagenkapazitäten an einem wegen seiner ökologischen Sensibilität offensichtlich völlig ungeeigneten Standort besitzen!

Die anerkannten Naturschutzverbände machen darauf aufmerksam, dass die derzeitige und weiterhin geplante Abwasserentsorgung des Zweckverbandes Fürstenwalde in das Grundwasser nicht nur in keiner Weise genehmigungsfähig ist, sondern darüber hinaus hierbei auch § 324 StGB - unbefugtes Verunreinigen sowie das sonstige nachteilige Verändern eines Gewässers in seinen Eigenschaften, sowie § 326 StGB Abs. 1 Nr. 3 - gewässergefährdende Abfallbeseitigung und § 330 StGB - schwere Umweltgefährdung zu beachten sind! Auch ein Amtsträger, der die rechtliche Befugnis hat, die Verletzung eines Umweltmediums zu gestatten, haftet selbst strafrechtlich, dies widerspricht auch nicht den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG. Dies trifft vor allem beim Erlass einer materiell-fehlerhaften Genehmigung und Erlaubnis sowie bei Nichtrücknahme einer fehlerhaften Genehmigung oder Erlaubnis oder beim Nichteinschreiten gegen rechtswidrige Umweltbeeinträchtigungen zu.

Die Verbände bitten um entsprechende Würdigung der v. g. Hinweise und Bedenken sowie um eine weitere Beteiligung am Verfahren.

Mit freundlichen Grüßen

gez.
C. Pape