Nachrichten aus Mecklenburg-Vorpommern
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Teil der Schweriner Volkszeitung

Montag, 10. Januar 2005

Ausufernde Abwasserkosten

Der Landesrechnungshof zum Sonderbericht  "Abwasserentsorgung in Mecklenburg-Vorpommern"

Angesichts überdimensionierter Klärwerke, teurer Betreiberverträge und alarmierender Gebührentrends fordere der Landesrechnungshof eine neue Abwasserpolitik gegen ausufernde Kosten.

Der abwasserpolitische Zentralismus der 1990er-Jahre würde mehr und mehr zur kostspieligen Hypothek auf die Zukunft: "Etwa die Hälfte der kleineren Kläranlagen (unter 1000 Einwohnerwerte) erreiche nur einen Auslastungsgrad von bis zu 70 Prozent, etliche davon sogar deutlich weniger als 50 Prozent", hieße es in einem neuen Sonderbericht des Rechnungshofs. Die Hälfte aller Klärwerke in MV sei zu weniger als 80 Prozent ausgelastet. Eine geringe Auslastung treibe die Kosten je Nutzer in die Höhe "und wirke sich damit gebührenerhöhend aus" so die Prüfer.

"Die demografische Entwicklung wird diese Tendenz noch verschärfen", sage Rechnungshofchef Tilmann Schweisfurth. In einem derart dünn besiedelten Land wäre ein früheres Umsteuern auf mehr dezentrale Lösungen sinnvoller gewesen.

Um den durch den Einwohnerschwund beschleunigten Kreislauf von sinkender Auslastung und steigenden Kosten zu durchbrechen, plädiere der Rechnungshof für eine neue Abwasserpolitik. Mit der gängigen Praxis, überdimensionierte Anlagen durch neue millionenschwere Kanalbauten zum Anschluss weiterer Orte oder Ortsteile auszulasten, müsse Schluss sein, argumentiere Schweisfurth.

Verträge besser aushandeln

"Wir schlagen vor, bei anstehenden Erneuerungsinvestitionen eher den Rückbau großer Anlagen zu fördern und dafür moderne Kleinkläranlagen zu errichten." Überraschend fiele der Vergleich von öffentlicher und privatwirtschaftlicher Abwasserreinigung aus: "Betriebe, die im Betreibermodell geführt werden, arbeiten am kostenintensivsten, sie erheben folglich die durchschnittlich höchsten Gebühren", hieße es im Bericht. Der oberste Prüfer rief deshalb die Abwasserzweckverbände und die in Eigenregie tätigen Kommunen auf, bei Privatisierungen auf kostengünstige und "professionell ausgehandelte Verträge" sowie Aufsichts- und Kontrollrechte zu achten.

Zugleich warne der Chef der unabhängigen Prüfbehörde vor der Einführung neuer Abschreibungsregeln.

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Nachgefragt:

.. bei Tilmann Schweisfurth,  Präsident Landesrechnungshof MV

„Transparenz im Abwassersektor“

Frage: Herr Schweisfurth, Ihre Warnung vor steigenden Abwasserkosten durch schwach ausgelastete Kläranlagen erhält durch die sinkenden Einwohnerzahlen zusätzliche Brisanz. Wirken noch weitere Risikofaktoren?

Schweisfurth: Die demografische Entwicklung wird die Pro-Kopf-
Kosten natürlich steigen lassen. Dazu kommen wegen der teilweise relativ hohen Entgelte noch Vermeidungsstrategien. Und die führen dazu, dass wir relativ niedrige Wasserverbräuche haben, wovon ja auch die Abwassermenge abhängig ist.

Frage: Was verstehen Sie unter Vermeidungsstrategien?

Schweisfurth: Dass sich Leute aus dem solidarischen System verabschieden – zum Beispiel, indem sie die ganze Außenbewässerung über private Brunnen laufen lassen. Da ist mir aufgefallen, dass man hier sehr freigiebig ist mit solchen Genehmigungen. Wenn aber die öffentliche Hand eine zentrale Abwasserlösung bereitstellt, dann sollte sie schon aus wirtschaftlichen Gründen und im Interesse derjenigen, die das Ganze über Beiträge und Gebühren bezahlen müssen, für einen konsequenten Anschluß- und Benutzungszwang sorgen. Die ohnehin hohen Kosten steigen ja noch weiter, je weniger verbraucht wird und je mehr aus dem System aussteigen. Da kann es auch nicht sein, dass wasserintensive Betriebe versuchen, sich durch eigene Lösungen aus der öffentlichen Wasserver- und entsorgung auszuklinken.

Frage: Wo können Zweckverbände und Kommunen sparen?

Schweisfurth: Wir haben noch sehr unterschiedliche Kostenstrukturen und erhebliche Effizienzreserven bei den einzelnen Aufgabenträgern. Deshalb sollen Benchmark-Daten helfen, zunächst einmal zu zeigen: Wo stehe ich überhaupt im Vergleich mit anderen? Was wir wollen, ist Transparenz im Abwassersektor und und eine Diskussion über Einsparpotentiale.

Frage: Und was stört den Rechnungshof an den Abschreibungs-
plänen in der Novelle des Kommunalabgabengesetzes?

Schweisfurth: Das beitragsfinanzierte Anlagevermögen soll nach dem Gesetzentwurf der Regierung von der Abschreibung ausgenommen werden. Derzeit schreibt ein Teil der Aufgabenträger dies ab. Aus meiner Sicht völlig zu recht, weil dann auch Mittel angespart werden, um Anlagen zu ersetzen, wenn sie am Ende ihrer Lebensdauer sind. Um das Jahr 2015 herum steht erheblicher Ersatzbedarf an. Dieser Novelle des Kommunalabgabengestzes steht der Rechnungshof äußerst kritisch gegenüber. Wir dürfen auf keinen Fall einen Kosten- und Gebührenschub in den nächsten 10 bis 20 Jahren programmieren.

Frage: Wäre das nicht nur Gebührenkosmetik?

Schweisfurth: Ja, und die dicke Rechnung kommt hinterher, denn die Aufgabenträger müßten dann vom Nutzer erneut Beiträge einfordern oder die Gebühren dramatisch anheben.

Frank Ruhkieck, SVZ (abgetippt von M.R.)



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